Malte Spitz, Bucerius Lab-Fellow und Generalsekretär der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) zur nun erschienenen deutschen Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts (RKI).
Nun ist sie da, die deutsche Variante einer Corona-Warn-App. Hat sich Ihrer Meinung nach die relativ lange Wartezeit zugunsten von Sicherheit, Datenschutz und Privatsphäre gelohnt?
Spitz: Es ging schnell für eine solch komplexe App und man hat im Verfahren auf viele Hinweise gehört, ein transparentes Verfahren zu wählen und Offenheit, Sicherheit und damit auch Vertrauen, in den Mittelpunkt zu stellen. Eine solche Aufgeschlossenheit würde ich mir auch bei zukünftigen staatlichen IT-Projekten wünschen, ich hoffe das macht Schule.
Was schlagen Sie vor, wenn nun dennoch viel zu wenig Menschen der App vertrauen und sie nicht installieren? Die App kann ihre Wirkung ja nur entfalten, wenn möglichst viele Menschen (60 oder mehr Prozent) sie auch nutzen.
Spitz: Wie viele Menschen sie tatsächlich nutzen müssen, um eine Wirksamkeit zu entfalten, wird man in paar Monaten sehen. Ich hoffe aber, dass es schnell mehrere Millionen Nutzer*innen sind und die App im Alltag funktioniert. Eine gesunde Skepsis ist immer wichtig, aber ich glaube die Risiken sind hier vertretbar, zumindest bin ich für mich zu dieser Einschätzung gekommen.
Zeigt die Genese dieser App, dass Deutschland und Europa durchaus in der Lage ist, die Digitalisierung im Sinne unsere Grund- und Freiheitsrechte auszugestalten? Oder zeigt die Dauer des Prozesses genau das Gegenteil an?
Spitz: Ich bin hier zwiegespalten, wie es in den letzten Monaten lief. Die sehr strikten Vorgaben durch Apple und Google [für die Nutzung ihrer Schnittstellen in ihren exklusiven Betriebssystemen] sollte man mit Abstand noch einmal bewerten, auch wie es dazu kam und wie man generell mit solchen Basta-Aussagen umgeht. Insgesamt zeigt sich aber, Europa ist nicht abgehängt und wir können zeigen, dass wir gute, spannende und schnelle IT-Projekte hinbekommen. Die Wirksamkeit der App und ob alle Versprechen eingehalten wurden und werden, muss sich jetzt aber erst einmal zeigen. Klar ist, die App ist kein Allheilmittel, sondern ein Baustein zur Bekämpfung der Pandemie.
Die Fragen stellte Daniel Opper, Leiter des Bucerius Lab.
Malte Spitz
ist Autor, Aktivist und Politiker. Seit 2013 ist er Mitglied im Parteirat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zuvor gehörte er für sieben Jahre deren Bundesvorstand an. Er ist Generalsekretär der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Fellow des Bucerius Lab. 2014 erschien sein Buch „Was macht ihr mit meinen Daten?“ und 2017 „Daten – Das Öl des 21. Jahrhunderts? Nachhaltigkeit im digitalen Zeitalter“ jeweils bei Hoffmann und Campe. Malte Spitz ist außerdem Co-Autor der „Charta der digitalen Grundrechte der Europäischen Union“, einer zivilgesellschaftlichen Initiative, die von der ZEIT-Stiftung koordiniert wird.
Mehr zum Thema Corona-Warn-App
Die Corona-Warn-App war bereits Thema in unserer Digital Lunch Session #2 im April 2020, bei der auch Malte Spitz als Gesprächsgast mitdiskutierte. Den Mitschnitt der Session sehen Sie hier:
Welche (datenschutz)rechtlichen Erwägungen im Vorfeld zur Corona-Warn-App diskutiert wurden, erläuterte Prof. Dr. Alexander Roßnagel, Leiter des Fachgebiets Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Recht der Technik und des Umweltschutzes an der Universität Kassel, in einem Vortrag im Rahmen des DigitalRights-Forums der ZEIT-Stiftung am 5. Mai 2020. Sehen Sie hier den Mitschnitt: